Klimaforscher Schellnhuber: „Das Langfrist-Ziel heißt Klima-Reparatur“

Professor Schellnhuber, Sie sind Deutschlands renommiertester Klimaforscher. Sie arbeiten seit mehr als 40 Jahren iauf diesem Gebiet. Sagen Sie uns: Wie groß ist die Chance noch, dass die Welt einen katastrophalen Klimawandel abwendet?

Einen Klimawandel, der gravierende Auswirkungen hat, können wir nicht mehr abwenden. Wir werden vermutlich in zehn bis 15 Jahren die 1,5 Grad-Linie globaler Erwärmung überschreiten und dann darüber hinausschießen. Allerdings können wir durchaus noch einen Klimawandel verhindern, der die menschliche Zivilisation oder gar die menschliche Spezies gefährdet. Da liegt die Wahrscheinlichkeit noch bei mindestens 50 Prozent. Das ist keine schlechte Chance, wenn es um alles geht.

Was wäre die günstigste Entwicklung?

Die Erderwärmung wird im günstigsten Fall knapp oberhalb von zwei Grad gestoppt und dann in den nächsten 200 Jahren langsam, Zehntelgrad um Zehntelgrad, wieder rückgängig gemacht werden – auf hoffentlich etwa ein Grad, so wie heute. Dazu muss CO2 wieder aus der Atmosphäre entfernt werden, vor allem durch großflächige Aufforstung, nachhaltige Landnutzung und den massiven Einsatz von Holz und anderen nachwachsenden Rohstoffen als CO2-Speicher im Städtebau. Ein ziemlich schwindelerregendes Drehbuch zur Rettung der Welt, zugegeben.

Trotzdem erwarten Sie gravierende Auswirkungen. Was heißt das konkret?

Zwei Grad mittlere globale Erwärmung bedeuten an Land drei bis vier Grad und regional unter ungünstigen Bedingungen auch fünf bis sechs Grad im Jahresdurchschnitt. Das sind brutale klimatische Herausforderungen, die große Anstrengungen zur Anpassung erfordern. Wir werden einen Meeresspiegelanstieg von mindestens einem Meter erleben, wahrscheinlich deutlich mehr, und müssen den Küstenschutz massiv hochfahren. In Teilen Südeuropas wird man die heutige Landwirtschaft, die nur mit verschwenderischer Bewässerung funktioniert, aufgeben müssen. In den inneren Tropen wird die feuchte Hitze so belastend werden, dass viele Menschen sich auf den Weg vom Äquator weg nach Norden und Süden machen müssen. Man wird Hunderten Millionen Menschen bei der Migration helfen müssen. Das ist eine große Nummer. Und wohlgemerkt das gute Szenario.

Und das negative?

Drei Grad sind die rote Linie, ab der der Klimawandel überhaupt nicht mehr beherrschbar sein dürfte. Und leider könnte diese Linie überschritten werden. Drei bis fünf Grad bedeuten das „Climate End Game“, wie Kollegen und ich das jüngst in einer Studie bezeichnet haben. Darin haben wir vier ungünstige, aber plausible Szenarien durchgespielt, vom schlechten bis zum schlimmsten. Das heißt, bis hin zum Kollaps der Weltwirtschaft und sogar zur Auslöschung der Menschheit. Vier Grad etwa verändern die Bewohnbarkeit der Erde fundamental. Der Meeresspiegel steigt dann um Dutzende Meter an, komplette Küstenzonen gehen verloren, in denen heute Hunderte Millionen Menschen leben. In den inneren Tropen kann man dann im Freien nicht mehr überleben, weil es dort zu heiß und feucht wird. Die Gletscher schmelzen ab, was bedeutet, dass in vielen Gebieten, zum Beispiel in Zentralasien und der Andenregion, im Sommer kein Frischwasser mehr verfügbar sein wird. Und Gebiete, die heute noch semi-arid sind, werden zur Wüste. Rechnet man das alles zusammen, könnte die Erde Lebensraum für zwei bis drei Milliarden Menschen verlieren. Überlegen Sie einmal, ob es funktionieren könnte, so viele Menschen umzusiedeln. Das würde am Ende wohl den Kampf „Jeder gegen jeden“ bedeuten. Wir sind heute ja selbst in einem superreichen Land wie Deutschland nicht in der Lage, eine Million Flüchtlinge ohne tiefgreifende gesellschaftliche Konflikte einzugliedern. Jedenfalls wenn diese Menschen die „falsche“ Hautfarbe haben …

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