Presseerklärung der „Initiative Buch Am Sandhaus“ vom 03.09.2021:
„Bürgerbeteiligung“ an der Planung des „Neuen Stadtquartiers Buch – Am Sandhaus“ geht in die nächste Runde: Auftakt zur „Masterplanung“ am 01.09.2021.
Das Masterplanverfahren für das vom Berliner Senat geplante Neue Stadtquartier Buch – Am Sandhaus begann am 1. September mit einer „Auftaktwerkstatt“ in der Mensa des Campus Buch, zu der interessierte Bürger*innen eingeladen waren.
Doch auch in dieser Veranstaltung wurde der von der Senatsverwaltung selbst aufgestellte Grundsatz der Leitlinien für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Projekten und Prozessen der räumlichen Stadtentwicklung missachtet. Dort heißt es: „Entscheidungsspielraum festlegen und Ergebnisoffenheit garantieren: Worüber genau soll wer was entscheiden? Woran, wie und bis wann können Bürgerinnen und Bürger ergebnisoffen mitwirken? Welche Entscheidungsspielräume gibt es? Wer trifft endgültige Entscheidungen? Diese Informationen werden beim Start einer Beteiligung im Beteiligungskonzept offengelegt.“).
Zwar konnten nach einem Plenarteil an 5 Thementischen (Natur/Umwelt/Klima, Freiraumangebote, Urbanität/Infrastruktur, Wohnen, Verkehr/Mobilität) Fragen an Mitarbeiter*innen des Planungsteams Wessendorf &Grieger und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung & Wohnen zu diesem Planungsentwurf gestellt und Anmerkungen sowie Verbesserungsvorschläge gemacht werden.
Doch der Spielraum ist eng begrenzt: Bei der Veranstaltung sollte es ausschließlich darum gehen, den im Juli von einem Gutachtergremium ausgewählten, der naturräumlichen Umgebung nicht gerecht werdenden Planentwurf auszugestalten. Rückfragen zum im Plenarteil nochmals vorgestellten Planentwurf und seiner Einbettung in die gesamte Berliner Stadtplanung waren nicht zugelassen. Die quantitativen Zielstellungen und die damit vorhandenen Naturraumverluste sind unveränderbar von Senatsseite fest vorgegeben. Von Ergebnisoffenheit kann keine Rede sein. Grundsätzliches Umdenken zum nötigen Paradigmenwechsel, dem Schutz von Umwelt und Klima auch bei Bauvorhaben die oberste Priorität zu gewähren, war nicht erkennbar. Es wurde lediglich auf noch zu erstellende gutachterliche Prüfungen zur Umweltverträglichkeit verwiesen, ohne dass deren Berücksichtigung noch während der Masterplanphase zugesichert wurde.
Weitere Aktivitäten der Bürger„Initiative Buch Am Sandhaus“
Die Initiative, www.initiative-buch-am-sandhaus.de , fordert weiterhin, den Masterplanungsprozess ergebnisoffen, insbesondere ohne Vorgabe einer Anzahl von zu bauenden Wohneinheiten, zu gestalten und in diesem Prozess endlich auch Fachleute aus Forst, Natur- sowie Klimaschutz und Klimaanpassung in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Die Initiative wird soweit ermöglicht auch im Masterplanungsprozess konstruktiv mitwirken. Sie wird dabei beharrlich die sieben Forderungen vertreten, für die sie auch in ihrer im August gestarteten Unterschriftensammlung wirbt.
Aus diesen ergeben sich weitere Detailforderungen, wie z. B.:
a) Null-Inanspruchnahme von Waldflächen, keine Bebauungen zwischen „Moorwiese“ und Moorlinse und zwischen Moorwiese und S-Bahn sowie an den Außenrändern („Säumen“) zur Bebauung
vorgesehener Flächen, Bebauung beschränken auf schon versiegelte Flächen. Erhalt und Pflege aller Kirschbaum-Anpflanzungen aus 1993 ff. im Rahmen des Sakura-Projektes (Geschenk Japans an die Berliner) auf dem Gelände des MfS-Krankenhauses.
b) Einhaltung der nach BauGB bauplanerisch zu berücksichtigenden Fluchtdistanzen für gefährdete Arten um Große und Kleine Moorlinse sowie um die „Waldzunge“ und am Wald, Einhaltung der waldgesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen zum Waldrand, Erhalt der Artenvielfalt.
c) Bebauung entlang der Straße Am Sandhaus weitestgehend ohne Unterkellerungen, um den Moorlinsen einen stabilen Wasserhaushalt, gespeist aus der langsam von Nord nach Süd durchströmten, wasserspeichernden „Schwammschicht“ weiterhin und auch für Dürreperioden zu gewährleisten.
d) Für die Mieter*innen in den zum Abriss vorgesehenen nicht sanierungsfähigen Häusern sind Angebote zum Umzug in (erste neue oder z. Zt. beziehbare) Wohnungen Am Sandhaus mit
vergleichbarer Haus-Umgebung nötig.
Zum Hintergrund:
Für das vorangegangene wettbewerbliche städtebauliche Gutachterverfahren hatte die Senatsverwaltung ein Fachgremium (Jury) zusammengestellt, welches durch Stadt- & Landschaftsplaner*innen, Vertreter*innen von großen Flächeneigentümern (inkl. Dt. Wohnen) und Mitarbeiter*innen der städtischen Verwaltung dominiert war. Die Bürgerschaft hatte nur 1 von 11 Stimmen, Fachleute aus Natur- und Umweltschutz waren nicht stimmberechtigt vertreten. Auch Stimmen aus Sozialverbänden und dem Pankower Schulamt zu Erhalt und Flächenerweiterung der gerade für sozial benachteiligte Kinder im Norden Berlins einzigartigen „Moorwiese“ (Naturerfahrungsraum, Abenteuerspielplatz, Waldkindergarten) am jetzigen Standort fanden nicht ausreichend Gehör. Die „Moorwiese“ soll nun zwar zunächst am Ort bleiben, aber ohne Erweiterungsmöglichkeit zwischen bis zu 12-stöckigen Betonklötzen eingemauert werden. Zugunsten letzterer wird auch die zur S-Bahn angrenzende Waldfläche abgeholzt. Die bestehende Naturraum-Verbindung der Moorwiese zum sensiblen Ökosystem der Moorlinse soll durch hohe Wohnbauten und eine durch Kfz befahrbare, nachts beleuchtete Straße durchschnitten werden.
Das Votum der Jury fiel gegen die Stimmen von Bürgerschaft, HOWOGE für die Variante von Wessendorf & Grieger mit den stärksten Eingriffen in den Naturraum. Bei dieser Variante werden
mindestens 7-8 ha Wald in Anspruch genommen. Die überregional für Zug- und dauerhaft ansässige Vögel bedeutsamen Große und Kleine Moorlinse würden in Ihrer Habitatfunktion massiv gestört werden. Die Auswirkungen auf ihren Wasserhaushalt können sowohl in Dürreperioden wie auch bei Starkregen gravierend sein. Das lässt sich schon heute in den Bestandsgebäuden wie auch in Nachbargemeinden des Planungsgebiets mit ähnlichen Bodenverhältnissen (Schichtenwasser) beobachten und wird sich in einem zunehmend extremeren Klima verstärken. Auch die jüngste Flutkatastrophe im Westen Deutschlands hat eine klare Botschaft: Der Erhalt vorhandener Naturräume als Ökosysteme ist die effektivste Anpassungsmaßnahme an gefährliche Auswirkungen des Klimawandels. Die Bedenken in Stellungnahmen von Umweltbehörden (Bezirk Pankow), Landes- und Bezirksforstamt sowie Naturschutzverbänden (BLN) ebenso wie die auf lokaler Kompetenz basierenden konstruktiven Vorschläge der Bürger*innen wurden ignoriert. Dies betrifft vor allem eine den örtlichen Gegebenheiten angepasste geringere Anzahl an Wohneinheiten, um Naturschutz, Klimaschutz und -anpassung und Berliner Wohnungsbedarf in Einklang zu bringen.
Aber auch die Tatsache, dass ohne ein Konzept für den ÖPNV, umgesetzt vor dem Zuzug von Tausenden Menschen in den Berliner Nordosten, der Verkehrskollaps droht, wurde missachtet.
Völlig unverständlich bleibt vor diesem Hintergrund für die Initiative, dass der Senat in der Presseerklärung des Senators für Stadtentw. & Wohnen, Hr. S. Scheel, vom 25.06.2021 aufgesetzt, den
ausgewählten Entwurf von Studio Wessendorf/Grieger als „sowohl aus ökologischer als auch aus wohnungspolitischer Sicht nachhaltig“ bezeichnet. Wenn Berlin wirklich ökologische, nachhaltige
Wohnungspolitik umsetzen will, dürfen die lokalen und umweltpolitischen Akteur+innen und ihre Forderungen icht länger überhört werden. Dafür werden wir uns, gemeinsam mit vielen Bucher*innen und anderen Bürger*innen, stark machen.